Glanzstoff-Fabrik - Sankt Pölten

Die 1904 gegründete "Erste Österreichische Glanzstoff-Fabrik AG" mit ihrer Produktion von Viskosegarn hatte für die nationalsozialistische Rüstungspolitik einen relativ hohen Stellenwert, da die erzeugten Garne das Mangelprodukt Baumwolle ersetzten.

Technische Viskosegarne fanden beispielsweise als Fallschirme (1), als Reifenkörbe (2) und als Kartuschbeutel für den Sprengstoff in Granaten (3) eine wichtige Anwendung.

Der Haupteingang der Fabrik in seiner ursprünglichen Form
©Schmitzberger, 2009
Der Haupteingang der Fabrik in seiner ursprünglichen Form

Entsprechend großzügig und schnell schritt auch der Ausbau des Standortes in Sankt Pölten voran. 1941 erfolgte dabei auch die Umbenennung in "Glanzstoff-Fabrik St. Pölten AG" (4).

Mit der Umstellung auf die Produktion von Cordkunstseide wurden zahlreiche Erweiterungen notwendig. Dazu zählten die Errichtung eines Ätznatronlagers, Anbauten an die Kuchendruckwäsche und die Umstellung der Heizanlage von Dampf auf Heißwasser. Ab 1943 erfolgte ein weiterer großer Ausbau der Produktion, zu dem die Errichtung eines neuen Wasserturms, einer neuen Trafostation, einer neuen Filterwäsche mit Schneiderei, einer Wasserreinigung, eines Salzlagers, einer Schwefel-Kohlenstoff-Rückgewinnungsanlage und die Vergrößerung des Eismaschinenhauses gehörten (5).

Mit diesen Ausbauten konnte die Produktion im Zeitraum 1938 - 1944 von 2.100 auf 9.500 Jahrestonnen mehr als vervierfacht werden (6).

Die Glanzstoff-Fabrik im letzten Produktionsjahr. Rechts im Bild ist der Wasserturm 
	aus dem Jahr 1943 erkennbar. Auf seinem Dach ist noch ein kleiner Beobachtungsstand zu sehen.
©Schmitzberger, 2009
Die Glanzstoff-Fabrik im letzten Produktionsjahr. Rechts im Bild ist der Wasserturm aus dem Jahr 1943 erkennbar. Auf seinem Dach ist noch ein kleiner Beobachtungsstand zu sehen.

Im Augelände am linken Bildrand befanden sich das Zwangsarbeiterlager und die Abwasserreinigungsanlage (1943).

Die Glanzstoff-Fabrik gehörte zu jenen Sankt Pöltener Betrieben, die auf dem Werksgelände ein eigenes Barackenlager für die Zwangsarbeiter unterhielten (7). Noch heute sind in der Traisenau die letzten Fundamentreste des Lagers erkennbar.

Quellen und weitere Informationen:

  • (1)(4) Büttner Rudolf, Sankt Pölten als Standort industrieller und großgewerblicher Produktion seit 1850 (Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Sankt Pölten 5, Sankt Pölten 1972), S. 74
  • (2) Hoffmann Kurt M., Eggert Erwin, Meyer Oskar, Energie und Stoff (Reichenberg 1941), S. 183
  • (3) Wetzig Sonja, Die deutschen Rüstungsstandorte 1939-1945 (Wölfersheim 2005), S. 18
  • (5)(6) Stadler Gerhard A., Das industrielle Erbe Niederösterreichs. Geschichte – Technik – Architektur (Wien 2006), S. 604
  • (7) Belegt durch die Meldezettel der Zwangsarbeiter im Archiv der Stadt Sankt Pölten. Beispiele: Nykola Nesemziw aus Beretowenka/Russland oder I. Novacek

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