Eine Luftschlacht über Österreich

Die große Übersichtskarte zeigt sehr viele Standorte von Fliegerhorsten, Radarstationen, Flak–Stellungen und Scheinwerfer–Batterien. Aber wie funktionierte das alles? Dieser Frage soll hier nachgegangen werden.

Übersichtskarte Luftkrieg
©2007 Grafik-Bearbeitung: Markus Schmitzberger

Legende:

Um den Ablauf besser erklären zu können, werde ich einen Luftangriff auf Wien darstellen, wie er sich in ähnlicher Form über 50 mal wiederholt hat.

1) Start der alliierten Bomber:

Die Bomber, die Österreich angriffen, stammten praktisch alle von der 15. US Luftflotte, welche auf mehreren Flugplätzen in der Umgebung des italienischen Ortes Foggia stationiert war. Diese Luftflotte bestand aus:

Diese Bomb Wings waren vor allem mit viermotorigen Bombern der Typen B-24 "Liberator" und B-17 "Flying Fortress" ausgerüstet.

Großbritannien beteiligte sich vor allem mit Angriffen der 205. Bomber Gruppe.

Einer der letzten amerikanischen B25 Bomber startet 2000 in Zeltweg
©Bundesheer
Einer der letzten amerikanischen B25 Bomber startet 2000 in Zeltweg

2) Anflug nach Norden:

Nach dem Start in Italien ging es sofort auf direktem Weg ins Reichsgebiet. Umwege über den Balkan waren die Ausnahme.

3) Erste Ortung der Bomber:

Wenn die US–Einheiten den Norden Italiens erreichten, wurden sie meist schon von deutschen Radarantennen mit sehr großer Reichweite erkannt.

Freya-Antenne
Freya-Antenne

Zum Bild: "Freya"-Antennen konnten Flugzeuge auf einer Höhe von 8.000 Metern schon aus 120 Kilometern Entfernung orten. Allerdings war keine Höhenbestimmung möglich. Antennen dieser Art besaß z.B. die Jägerleitstelle "Sonnenblume" auf dem Scharfen Eck in der Steiermark.

4) Die Jägerleitstellen treten in Aktion:

Mit der ersten Ortung der Feindflugzeuge übernahmen die Jägerleitstellen eine sehr wichtige Rolle. Sie mussten anhand der geschätzten Flugroute der Bomber erkennen, was ihr Ziel war und dementsprechend deutsche Jagdeinheiten (falls welche verfügbar waren) alarmieren – ein "Pokerspiel", das sehr oft furchtbare Folgen hatte.

5) Die Bomber überqueren die Alpen:

Weitgehend unbekannt ist die Tatsache, dass die US–Bomber sehr häufig eine direkte Flugroute über den Alpenhauptkamm wählten und sich vor einem Angriff auf den Osten Österreichs (Wien, Wiener Neustadt,...) im Raum Sankt Pölten sammelten. Diese Flugetappe stellte für die Alliierten Piloten eine nicht unerhebliche Gefahr dar. Berge und das unberechenbare Wetter forderten ihren Tribut. Viele Bomben-"Notabwürfe" und Abstürze waren die Folge. Zusätzlich waren dort auch einige Flak-Batterien stationiert, wie auf der Tauplitzalm in der Steiermark.

In dieser Phase des Angriffs führten die US-Einheiten auch sehr oft Ablenkungsmanöver durch. Mehrere Maschinen (meist Jagdbomber oder Jäger) schwenkten dazu aus der Formation aus und griffen meist im Tiefflug Bahnanlagen und Industriebauten an. Ein "Paradebeispiel" dafür ist der Raum Judenburg, der durch solche Angriffe weitgehend verwüstet wurde.

Die P-51 B Mustang – ein gefürchteter Gegner für deutsche Piloten
©Bundesheer
Die P-51 B "Mustang" – ein gefürchteter Gegner für deutsche Piloten

6) Sammelpunkt Sankt Pölten:

Nach der Überquerung der Alpen sammelte sich der Bomberpulk, wie oben schon geschildert, meist im Raum Sankt Pölten. Dies hatte bei Schlechtwetter im Zielgebiet den Vorteil, sehr schnell ein Ersatzziel anfliegen zu können, sei es Wien, Wiener Neustadt oder Linz.

7) Zielanflug:

Nun folgte der Zielanflug auf das jeweilige Ziel der Bomber. Spätestens jetzt war der deutschen Flugabwehr auch die Flughöhe der Feindflugzeuge bekannt, denn in der Umgebung der wichtigeren Ziele befanden sich zahlreiche Radaranlagen der Type "Würzburg-Riese" (Standorte z.B. in Moosbierbaum, Linz, Stammersdorf, Flaktürme,...). Sie erlaubten auch eine exakte Höhenbestimmung von Flugzeugen. Dadurch war es möglich, den Jägern und den Flak-Batterien genaue Zielangaben zu geben. In diese Phase des Kampfes fiel meist die heftigste Abwehr. Es war der Zeitpunkt, der über Erfolg und Misserfolg beider Seiten entschied.

Messerschmitt Bf 109
©Bundesheer
Messerschmitt Bf 109

Die Messerschmitt Bf 109 war der wichtigste deutsche Jäger. Praktisch alle in Österreich stationierten Jagdeinheiten (was nicht viele waren) waren damit ausgerüstet.

8) Die "Pfadfinder" kommen:

Die Bomber selbst führten meist keinen genauen Angriff durch. Das Zielen lag bei anderen, den sogenannten "Pathfinder"-Flugzeugen. Sie warfen ihre Bomben (bei Nacht die berühmten "Christbäume") genau über dem Ziel ab. Die Bomber mussten ihre Last dann nur noch auf die Brände am Boden werfen.

Eine P-38 in der Pathfinder-Version
©Schmitzberger
Eine P-38 in der "Pathfinder"-Version

9) Der Bombenabwurf:

Jetzt öffneten die Bomber ihre Bombenschächte und warfen ihre tödliche Last ab. Meist nur für einige wenige Minuten waren die Bomber innerhalb der Reichweite der deutschen Flak. In diesen Minuten feuerten die schweren Flak–Batterien aus allen Rohren. Kanonen der Kaliber 8,8 und 10,5 Centimeter waren am häufigsten. Auf den Wiener Flaktürmen waren aber auch 12,8 Centimeter Zwillingsgeschütze montiert.

8,8 Centimeter Flak
8,8 Centimeter Flak

Trotz hochmoderner Radaranlagen ("Würzburg-Riese"), schaffte die Flak (hier eine "8,8er") kaum eine höhere Abschussquote als ein bis zwei Prozent.

10) Der Rückflug:

Er war das letzte Kapitel in der blutigen Geschichte eines Bombenangriffs. Oft noch lange von deutschen Jägern verfolgt, traten die US Bomber meist wieder ihre Reise über die Alpen an. Nicht wenige beschädigte Bomber schafften den Alpenüberflug nicht mehr. Viele Bomberpiloten zogen dem drohenden Absturz eine Notlandung und damit die Internierung in der neutralen Schweiz vor.

Abschließend ist zu sagen, dass der Luftkrieg über Österreich für beide Seiten extrem hohe Verluste brachte. Während die US-Airforce bei ihren Tagangriffen zahllose Besatzungen verlor, bedeutete der Luftkrieg für das Deutsche Reich die Zerstörung praktisch der gesamten Industrie und die Vernichtung weiter Teile seiner Städte.

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