Im Ortsteil Gusen der Gemeinde Langenstein, 4,5 Kilometer westlich von Mauthausen begannen im Dezember 1939 Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen mit dem Aufbau eines Barackenlagers mit der Bezeichnung "KZ Mauthausen/Unterkunft Gusen". Als Baugelände für dieses Lager wurde von der SS-Firma DEST (Deutsche Erd- und Steinwerke G.m.b.H.) das Gelände zwischen den "Kastenhofer"- und "Gusener" Granitsteinbrüchen sowie der Straße zwischen Mauthausen und Sankt Georgen an der Gusen ausgewählt.
Im März 1940 wurden der mit Strom geladene Stacheldrahtzaun um das hinkünftige Lagergelände und die ersten drei Häftlingsbaracken sowie einige Gebäude für die SS-Mannschaften fertig. Polnische Häftlinge waren die ersten Insassen des Lagers. Sie wurden zum weiteren Lagerausbau und zu Steinbrucharbeiten eingesetzt. Aus der "Unterkunft Gusen" entstand nun ein Außenlager des KZ Mauthausen und wurde als Lager der "Stufe III" eingeordnet, dies bedeutete:
Stufe I: Für alle wenig belasteten und unbedingt besserungsfähigen Schutzhäftlinge
Stufe II: Für schwer belastete, jedoch noch erziehbare und besserungsfähige Schutzhäftlinge
Stufe III: Für schwer belastete, unverbesserliche, auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, das heißt kaum noch
erziehbare Schutzhäftlinge
Anfang 1941 wurde ein Krematorium errichtet und bis 1943 entstanden 32 Holzbaracken, auch Blöcke genannt. Davon dienten die Blöcke 1 - 24 als Häftlingsunterkünfte, 25 - 26 als Werkstätten und Magazine und 27 - 32 als Krankenrevier. Davon war in den Blöcken 27 - 29 eine Chirurgie untergebracht, wo auch medizinische Versuche an Gefangenen durchgeführt wurden, 30 und 32 waren "normale" Krankenbaracken und Block 31 war nach Überlieferung die "Unterkunft der Vernichtung" - kein dort eingelieferter Häftling kam lebend zurück.
Die Baracken waren Normbauten von 30 Metern Länge und 8 Metern Breite, an der Stirnseite einer Barackenreihe standen lange, schmale Holzhütten, die als Latrinen, Waschräume und zur Aufbewahrung von Leichen dienten. Östlich der Häftlingsbaracken war der Appellplatz und zur Straßenseite hin als Lagereingang das massiv gebaute mit Granit verkleidete Torhaus, auch "Jourhaus" genannt. Die mit Stacheldraht und acht Wachtürmen gesicherte rechteckige Fläche des Häftlingslagers im Ausmaß von circa 350 x 150 Meter wurde ab 1942 außerhalb des Zaunes, in etwa drei Meter Abstand zu diesem, mit einer 2,20 Meter hohen Natursteinmauer umgeben. Zwischen der Südseite dieser Mauer und der Straße von Mauthausen nach Sankt Georgen wurden ein Küchengebäude, Bauten für die Kommandantur und Verwaltung, Unterkünfte für die SS-Wachmannschaften, SS-Kantine und Revier, ein SS-Führerheim sowie die Bauleitungsbaracke errichtet.
Bedingt durch die vorhin beschriebene Lagerstufe III war das Konzentrationslager Mauthausen mit dem Nebenlager Gusen bis etwa Ende 1942 als Vorläufer der späteren Vernichtungslager anzusehen. Für die eingelieferten Häftlinge bestand nur eine geringe Hoffnung, das Lager lebend zu verlassen - Vernichtung durch menschenunwürdige Schwerarbeit in den Steinbrüchen lautete ihr Urteil. Mit der Neuinstallierung von Vernichtungslagern in den besetzten Gebieten im Osten und die Einrichtung von immer mehr Außen- bzw. Nebenlagern veränderte sich die Funktion von Mauthausen und Gusen zur Funktion eines Stammlagers. Durch die ständige Ausweitung der Kriegsereignisse wurden immer mehr Arbeitskräfte aus den Rüstungswerken zu den Waffen gerufen und diese Lücken am Arbeitsmarkt versuchte man nun, neben Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, mit Häftlingen aus den Konzentrationslagern zu füllen. Die Aufgabe des KZ Mauthausen und Gusen bestand nun zunehmend in der Aufgabe, den ständig steigenden Bedarf an Arbeitskräften der Rüstungsindustrie mit entsprechender Zuteilung von Häftlingen an die Nebenlager bei den Werken zu decken. Arbeitsunfähige und kranke Häftlinge wurden von den Außenlagern wieder ins Krankenlager des Stammlagers rücküberstellt, wo sie geringe Überlebenschancen hatten.
Neben der Bearbeitung des harten Gesteins zu Pflastersteinen und Verkleidungsblöcken- und platten für Renommierbauten, errichtete die DEST auch eine große Schotterbrechanlage. War die bisherige Hauptbeschäftigung der Häftlinge die Arbeit in den Granitbrüchen, kamen ab Herbst 1943 Arbeiten für Rüstungsfirmen dazu. So wurden zwei Steingebäude und im Winter 1943/44 weitere vier Großbaracken (A - D) als Unterkünfte für als Facharbeiter ausgebildete Häftlinge fertiggestellt.
Ab 1943 wurden nördlich der Häftlingsbaracken Hallen für die Steyr-Daimler-Puch AG gebaut bzw. bestehende Steinmetz-Baracken für die Rüstungsfertigung adaptiert. Dort wurden nun von den KZ-Insassen unter dem Tarnnamen "Georgenmühle I, II, III und IV" Waffenteile für Karabiner, Sturmgewehre, Maschinenpistolen und Bauteile für Flugzeugmotore hergestellt.
Ebenso ab Sommer 1943 errichtete die Messerschmitt AG aus Regensburg anschließend an die Betriebsstätten der SDP einige Hallen zur Fertigung von Bauteilen und Rümpfen für das Jagdflugzeug Messerschmitt Bf 109.
Die ständigen Luftangriffe der Alliierten auf die deutschen Flugzeugwerke zwangen zur Verlagerung der Fertigungsanlagen in bombengeschützte Stollenanlagen. Ein solcher Untertageverlagerungsbetrieb zur Produktion des ersten turbinengetriebenen Jagdflugzeuges der Welt, der Me 262, sollte auch in Sankt Georgen an der Gusen entstehen. Für die Bauarbeiten an der über 50.000 m² umfassenden Stollenanlage und der später darin zu erfolgenden Herstellung der Düsenjäger war der Einsatz von KZ-Häftlingen vorgesehen. Zur Unterbringung der benötigten Häftlinge wurde Ende 1943, Anfang 1944 westlich des bestehenden Lagers mit dem Bau eines weiteren Konzentrationslagers begonnen. Das alte Lager bekam nun die Bezeichnung Gusen I und das ab 9. März 1944 bezogene neue Lager hieß nun Gusen II. Die Häftlinge aus Gusen II bauten vorgenannte Stollenanlage mit dem Decknamen "Bergkristall" und begannen noch Anfang 1945 mit der Produktion von Me 262-Düsenjägern.
Im Frühjahr 1944 begann man aber auch in den Berghang unmittelbar hinter dem Lager Gusen I und den Fertigungsstätten der Rüstungsindustrie eine Stollenanlage mit der Bezeichnung "Kellerbau" in den Granitfels zu sprengen. Unter Umgehung sämtlicher Sicherheitsmaßnahmen stellten die Häftlinge rund sieben Kilometer Stollen her, fast täglich gab es Schwerverletzte und Tote. Diese Untertageanlage sollte die Produktion von Steyr-Daimler-Puch, der Messerschmitt AG und ein Forschungsinstitut der Technischen Hochschule Wien aufnehmen. Das Stollensystem wurde aber nicht fertiggestellt, nur auf 12.000 m² nahmen die SDP noch die Waffenproduktion auf. In einem kleinen Teil wurden vom Forschungsinstitut der TH Wien einige "aerodynamische Maschinen" (Windkanal ?) aufgestellt und bei Kriegsende etliche Versuchsmodelle von Raketen-Waffen vorgefunden.
Knapp vor Kriegsende, am 3. Mai 1945 wurde die Fertigung in den Stollenanlagen von "Bergkristall" und "Kellerbau" eingestellt und die Angehörigen der SS und zivile Führungskräfte der Rüstungsfirmen setzten sich nach Westen ab. Am 5. Mai 1945 wurden die Lager Gusen I und II sowie Mauthausen von amerikanischen Truppen befreit. Der Höchststand an Häftlingen betrug im Lager Gusen I 11.480 Personen und in Gusen II 12.537 Personen.
In der Zeit vom 25.06.1940 bis 04.05.1945 wurden den beiden Lagern Gusen I und II insgesamt 67.667 Häftlinge zugeteilt.
Im gleichen Zeitraum wurden davon in andere Nebenlager oder KZ circa 8.500 Häftlinge überstellt.
Es verbleiben 59.167 Häftlinge.
Die letzte offizielle Häftlings-Standesmeldung stammt vom 04.05.1945. Nach der Befreiung der Lager Gusen starben weitere circa 2.000 ehemalige Gefangene an verschiedenen Krankheiten und allgemeiner Körperschwäche.
Quellen und weitere Informationen: