Im Bereich der heutigen Donauchemie bei Pischelsdorf sollte während des Zweiten Weltkrieges eine große Industrieanlage zur Herstellung von Magnesium errichtet werden. Trotz großen Aufwandes kam es jedoch nicht mehr zu einer Produktion der Anlagen. Die bestehende Quellenlage zu diesem Großprojekt ist extrem dürftig. Außer der Jahreszahl ist praktisch nichts bekannt. Trotzdem soll hier eine Rekonstruktion der Werksgeschichte versucht werden. Herzlichen Dank dabei an Herrn Richter von der Donauchemie. Ohne seine großzügige Hilfe wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen.
Hintergrund:
Mit dem immer weiter fortschreitenden Luftkrieg ab 1940 begann ein bisher ungeahnter Leistungskampf im Jagdflugzeugbau. Das
Streben nach immer leichteren und somit immer schnelleren Flugzeugen führte sehr bald dazu, dass im Jägerbau (z.B. Messerschmitt Bf 109,
Me 262 oder Heinkel He 162) viel mit neuen Werkstoffen, wie den Leichtmetallen Aluminium und Magnesium, experimentiert wurde.
Sehr bald fand Magnesium seinen Eingang in das "Fliegwerkstoff-Handbuch" des Technischen Amtes des
Reichsluftfahrtministeriums und wurde somit immer öfter bei diversen Konstruktionen verwendet.
Mit dem Anschluss Österreichs 1938 kam das Dritte Reich in den Besitz einiger der größten damals bekannten Magnesium-Lagerstätten:
Somit war man im Besitz wichtiger Erzvorkommen, hatte aber nur unzureichende Kapazitäten in den bestehenden Hüttenwerken.
Geschichte:
Die schwierige Lage im Luftkrieg und der ständig steigende Jagdflugzeugbau ließen den Ruf nach größeren Magnesiummengen bald so groß werden, dass mit den Planungen für eine neue Magnesiumhütte begonnen wurde. Federführend bei diesem Projekt war das IG Farben-Werk in Bitterfeld (D), wo schon seit den 1920er Jahren sehr intensiv an der Verhüttung des noch sehr "jungen" Werkstoffes Magnesium geforscht wurde, was sich in zahlreichen an die IG Farben erteilte Reichspatente niederschlug.
Die Verhüttung des Magnesiums hatte sich als sehr steiniger Weg entpuppt, war aber um 1939 in Bitterfeld so weit fortgeschritten, dass sie großindustriell durchgeführt werden konnte:
Alle wichtigen europäischen Magnesiumvorkommen lieferten als Rohstoff "Magnesit", also MgO (Magnesiumoxyd). Dieses konnte nicht direkt zum erwünschten reinen Magnesium (Mg) verhüttet werden. Als bester Weg hatte es sich gezeigt, das Magnesit mit Chlor und Kohlenstoff zu Magnesiumchlorid (MgCl) umzusetzen. Dieses MgCl war dann relativ problemlos mittels Elektrolyse in reines Magnesium zu reduzieren.
Die neue Hütte sollte also auf dem entwickelten Verfahren der IG Farben beruhen. Eine gewisse Nähe zu den "neuen" Magnesitvorkommen in den österreichischen Alpen war wohl auch sehr gewollt. Dies und das bereits bestehende Chemie-Großkombinat der IG Farben in Pischelsdorf führten wohl zu diesem Standort.
Im Frühjahr 1941 entstand so der sogenannte "Krauch-Plan", der (neben dem Ausbau des Aluminiumwerks Ranshofen) erstmals den Ausbau von Moosbierbaum für die Magnesium-Verhüttung vorsah.
Am 21. Juli 1941 folgte schließlich der Befehl Görings, die Aluminium- und Magnesiumindustrie auf eine völlig utopische Leistung von einer Million Jahrestonnen auszubauen.
Zum Bild: Leider ist die Legende verlorengegangen. Rekonstruktionsversuch: (1) Elektrolyseanlagen, (2) Magnesiumchlorierung, (3) Schmelzhallen
Es ist anzunehmen, dass schon 1942 die Arbeiten an der Schmelzhütte begannen, wenn diese auch erst ab 1943 gesichert sind. Anhand der 2006 freigelegten Ruinen ist erkennbar, dass hier an eine langfristige Produktion gedacht wurde und nicht an ein Notprogramm. Es entstanden die notwendigen Aufbereitungsanlagen (Magnesiumchlorierung), Schmelzöfen (Elektrolyse), Hallen für die schmelztechnische Weiterverarbeitung des Magnesiums und viele weitere Infrastrukturbauten. Der große Baufortschritt bis 1944 lässt auf ein Projekt schließen, das mit sehr hoher Dringlichkeit geführt wurde. Es ist sehr gut möglich, dass es auch vom Anfang 1944 eingerichteten "Jägerstab" des Reichsrüstungsministers Albert Speer entsprechend unterstützt wurde.
Trotz aller Anstrengungen eskalierten die Bombenangriffe auf das Werksgelände in Pischelsdorf derart, dass ab 1944 an einen Weiterbau nicht mehr zu denken war. Die Arbeiten stagnierten und konnten bis Kriegsende nicht mehr zu Ende geführt werden.
Die Ruinen lassen den Schluss zu, dass bei Kriegsende umfangreiche Sprengungen durchgeführt wurden, um die Anlagen unbrauchbar zu machen. In weiterer Folge gerieten die Ruinen praktisch in Vergessenheit. Die Natur eroberte sich das Gelände derartig gründlich zurück, dass der Industriebau beinahe als Natura2000-Gelände eingestuft wurde. 2006 begannen am Standort der einstigen Magnesiumhütte Bauarbeiten für eine Bio-Ethanol-Anlage. Im Zuge dieser Arbeiten kamen die Ruinen ein letztes mal zum Vorschein, bevor sie endgültig entfernt wurden.
Zustand im Frühjahr 2006:
Zustand heute:
Nicht erhalten
Quellen und weitere Informationen: